Karl Valentins Hochzeit
Evrejskoe sčasťe (Jüdisches Glück)

Stummfilmtage
Live-Musik: Sabrina Zimmermann & Mark Pogolski

KARL VALENTINS HOCHZEIT | Deutschland 1912/1913 | Regie Ansfelder | Kamera Pallatz | Besetzung Karl Valentin, Georg Rückert, Liesl Karlstadt | Produktion Kopp Film | Länge 12 Minuten | Farbe schwarzweiß | Zwischentitel deutsch
Der erste erhaltene Film mit Karl Valentin, der von sich gerne behauptete, die erste Münchner Filmproduktion gegründet zu haben. Während Valentin in seinen späteren Tonfilmen vor allem auf den Sprachwitz setzte, waren seine frühen, meist mit geringen Mitteln produzierten Stummfilme Slapstick-Komödien, deren Komik zuerst aus seiner grotesk unbeholfenen Körpersprache entstand.
In KARL VALENTINS HOCHZEIT (1912/13) entwirft er eine bissige Satire auf die Institution der Ehe, nicht ganz frei von Klischees, die Valentin jedoch mit Slapstick-Einlagen elegant und geschickt umschifft. Ursprünglich wurde der Film 1912 auf dem Gelände hinter den Münchner Kammerspielen und der Augustinerstraße aufgenommen. Da das Material falsch belichtet war, wurde der Film im Jahr 1913 erneut gedreht.
Der Junggeselle und Freier Valentin reagiert in dem Film auf eine Heiratsannonce. Valentin, spindeldürr, auf dem Kopf einen Strohhut als krönenden Abschluss des langen Elends, an den Füßen spitze vorne hochstehende Schuhe und in den Händen ein Blumensträußchen, klopft er an die Haustür der Heiratswilligen. Die Tür geht auf und sofort wird er von einer stämmigen Braut (Georg Rückert als Frau Walzenberger) ins Haus gezerrt. Bei Kaffee und Kuchen entschließt sich die Matrone schnell für den Karl und zwingt ihm sofort den Ehevertrag auf: »Nun sind wir einig, süßer Karl, unterschreibe den Ehekontrakt.« An der Kaffeetafel geht es dann richtig hoch her, effektvoll wird Tortencreme verspritzt, und schließlich entkommt in dem Durcheinander der Kanarienvogel ins Freie. Valentin, der dem Vogel nachhetzt, wird erschöpft mit einer Schubkarre weggefahren, nachdem auch noch seine tonnenförmige Angetraute auf ihn gefallen ist und ihn platt gedrückt hat.Die Ehe als Gefangenschaft, der Verlust sämtlicher männlicher Freiheiten, das ist hier Valentins bodenständiges Thema. (Roland Keller, Karl Valentin und seine Filme, München 1996)

Die Bagatelle erinnert an die frühen Filme Chaplins, die sogar zum Teil wahrscheinlich etwas später hergestellt worden sind. Dabei ist die Art des Humors hier und dort durchaus verschieden. Valentin ist kein Vagabund wie Chaplin, sondern ein Kleinbürger, der freilich durch die Melancholie sein Kleinbürgerturm aufhebt. Literarisch verwandt ist ihm allein die schwarze Komödie Wilhelm Buschs, dessen Tobias Knopp und Einsiedler Krökel niemand anders als gerade Valentin für den Film erobern könnte. (Siegfried Kracauer, FZ, 30.4.1919) |

EVREJSKOE SČAST’E (Jüdisches Glück) | UdSSR 1925 | Regie Aleksej Granovskij | Drehbuch Gregorij Gricher-Cherikover, Boris Leonidov, nach Scholem Alejchem | Kamera Edvard Tissé, Vasilij Hvatov, N. Struko | Besetzung Solomon Mikhoels, Saša Epstein, Mosche Goldblatt, Tamara Adelgejm | Produktion Goskino Premiere 12.11.192 | Länge 83 Minuten | Farbe schwarzweiß | Zwischentitel russisch, mit deutschen Untertiteln
Eine sowjetische Stummfilm-Komödie, die freimütig die ostjüdische Schtetl-Kultur beschwört. Gedreht an Originalschauplätzen, zeigt der Film unter anderem die ukrainische Schwarzmeermetropole Odessa. Für die Aufführung wurde eine 35mm-Kopie des Filmmuseums München abgetastet und bearbeitet, sodass die ursprüngliche Bildqualität des Films wieder zur Geltung kommt. 
Der Film um die populäre Figur Menachem Mendl aus den Erzählungen Scholem Alejchems beginnt mitten im Chaos von Mendls großer und hungriger Familie. Um Brot für sie zu besorgen, geht der »Luftmensch«, in der Hoffnung, dort Korsetts verkaufen zu können, nach Odessa. Mit seinem jungen Freund Salmen, gespielt von dem späteren Regisseur Mosche Goldblatt, begibt er sich auf die »krumme Straße des jüdischen Glücks«. Mendl beschließt, Heiratsvermittler zu werden. 
DAS JÜDISCHE GLÜCK regt zum Vergleich mit dem gefeiertsten Film seines Jahrgangs, Chaplins GOLD-RAUSCH an, mit dem er nicht nur das Thema und den zeitlichen Rahmen teilt, sondern auch das sichere Gespür für wehmütigen Klamauk und den Einsatz von Traumsequenzen. Mikhoels verleiht durch seine kleine Statur der Figur Menachem Mendls eine chaplineske Aura von heruntergekommener Noblesse und rauem Pathos. Er ist unterwürfig, lässt sich jedoch nie unterkriegen und wächst einem so ans Herz. In der schönsten Szene des Films träumt Menachem Mendl, er sei ein Heiratsvermittler internationaler Größe. Auf den Stufen des Hafens von Odessa trifft er eine elegante zukünftige Braut, überreicht ihr einen Blumenstrauß und macht sie mit dem legendären jüdischen Philanthropen Baron von Hirsch bekannt, der ihn darüber informiert, dass in Amerika Bräute Mangelware seien. Solcherart gefordert, »Amerika zu retten«, mobilisiert Menachem Mendl sein »Schtetl«. Die mobilisierte extravagante Menge heiratswütiger Damen kann es mit dem Höhepunkt von Keatons SIEBEN CHANCEN (ebenfalls von 1925) aufnehmen. Aus heutiger Sicht erhält die Szene durch den Anblick von mit jüdischen Mädchen im Hochzeitsstaat vollgestopften Güterwaggons, die in Odessa eintreffen, um nach Übersee verschifft zu werden, allerdings einen düsteren Unterton. DAS JÜDISCHE GLÜCK hat eine ausgeprägte Affinität zu den erst kürzlich in den sowjetischen Filmmarkt eingeführten amerikanischen Komödien. Er hat ein dynamisches Tempo und wechselt gekonnt von visuellen Gags zur Komik. (J. Hoberman, Bridge of Light, Yiddish film between two worlds, The Museum of Modern Art, New York 1991)

 

6 € (5 € bei MFZ-Mitgliedschaft). Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den freien Verkauf an der Abendkasse.


Besuchsinformation

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