leere Kinostuhlreihen aus rotem Stoff von hinten

Deutsche Nationalepen

Deutsche Nationalepen

1923 war ein schwieriges Jahr für Deutschland: Der Erste Weltkrieg hatte das Land in Not gestürzt, das politische Geschehen war von heftigen Auseinandersetzungen und Extremismus geprägt, die Hyperinflation mit astronomischen Preisen wurde durch die Einführung der Rentenmark gestoppt, die die Armut weiter Teile der Bevölkerung verschärfte. Der einzige Bereich, der in dieser Zeit florierte, war die im Weltkrieg durch die ausgeschaltete Konkurrenz der französischen Filmfirmen erstarkte deutsche Filmindustrie. Die fortschreitende Geldentwertung machte Superproduktionen möglich, die durch Auslandsverkäufe gegen harte Währung große Gewinne versprachen. Die größte deutsche Produktionsfirma war die 1917 durch Bündelung bisher unabhängig agierender kleinerer Produktionsfirmen gegründete Ufa. Sie kontrollierte den deutschen Kinomarkt, indem sie Produktion, Vertrieb und Abspiel der Filme in einem Konzern vereinte. Als größtes Projekt, das die Leistungsfähigkeit des deutschen Films beweisen und »das Deutschtum« in die Welt hinaustragen sollte, galt die zweiteilige Verfilmung des deutschen Nationalepos »Die Nibelungen«, deren Produktion sich von Ende 1922 bis zum Frühjahr 1924 hinzog.
Drehbuchautorin Thea von Harbou sah in den Nibelungen »Sendboten von deutschem Wesen, deutscher Arbeit, Geduld und Kunst«. Der Film entstand ausschließlich im Studio, in künstlichen Welten mit phantastischen Bauten, komplexen technischen Innovationen und kontrollierter Lichtsetzung. Fritz Lang standen unbegrenzte Mittel zur Verfügung, und er machte reichlich Gebrauch davon. Die Fachzeitung »Der Kinematograph « lobte Fritz Lang: »In den NIBELUNGEN ist ihm ein Stil geglückt, dem noch niemals jemand nachstrebte. Es ist Film-Gotik, etwas durchaus Deutsches, das national gebunden und doch international wirksam sein dürfte. Lang ist der Richard Wagner des Filmes.« Bei der Uraufführung des ersten Teils waren die Spitzen der staatlichen und städtischen Behörden, Großfinanz, Literatur, Kunst sowie Vertreter des diplomatischen Korps und der in- und ausländischen Presse anwesend. Anschließend sprach Außenminister Gustav Stresemann bei einem Festessen im Hotel Adlon und betonte, dass der Film DIE NIBELUNGEN »ein Baustein sei an der großen Brücke, die das Seelenleben, das Geistige unserer Nation mit dem anderer verbindet«. Die Premiere des zweiten Teils, die zwei Monate später stattfand, erhielt DIE NIBELUNGEN I: SIEGFRIED Deutsche Nationalepen Deutsche Nationalepen 54 weniger einhellige Zustimmung. Herbert Ihering sinnierte über die »Selbstzweck gewordenen, endlos ausgedehnten Kampf- und Mordszenen, die dem Film auch im Ausland schaden werden (weil sie nicht die Kampfszenen eines beliebigen Filmes, sondern die Kampfszenen eines Films sind, der ›dem deutschen Volke‹, seiner Seele, seinem Charakter gewidmet sein soll).«
Die genauen Produktionskosten der NIBELUNGEN lassen sich nicht mehr ermitteln. Sie waren so hoch, dass die Filme sie selbst bei immensem Erfolg im Inland nicht annähernd einspielen konnten. Dementsprechend war die Ufa auf Einnahmen aus dem Ausland angewiesen, vor allem aus dem mit Abstand größten Markt in Amerika. Im September 1924 eröffnete die Ufa ein Büro in New York, um ihren Export zu forcieren. Doch DIE NIBELUNGEN erwiesen sich als schwer verkäuflich. Schon bei der Berliner Premiere hatte das Branchenblatt »Films Daily« vermerkt: »The production values are highly praised but there seems to be doubt over its box-office appeal, particularly outside of Germany. « Die amerikanischen Produktionsfirmen, die die großen Erstaufführungstheater in den Schlüsselstädten kontrollierten, zeigten sich keineswegs erfreut über Konkurrenz aus Deutschland und betrachteten sie als Eindringling, den es abzuwehren galt. DIE NIBELUNGEN gelangten in kein amerikanisches Kino. Die Ufa konnte den Film nur an die Shuberts verkaufen, die in den größeren Städten Opernhäuser und Theatersäle bespielten und den umgearbeiteten ersten Teil SIEGFRIED mit von Hugo Riesenfeld kompilierter Wagner-Musik als Event aufführten. Eine flächendeckende Kinoauswertung hätte der Ufa dringend benötigte Einnahmen gebracht, die zumindest einen größeren Teil der Produktionskosten hätten auffangen können.
Unverdrossen kündigte die Ufa bereits im Sommer 1924 als nächstes Großprojekt, das deutsches Kulturgut in alle Welt tragen sollte, eine Verfilmung von FAUST an.
Stefan Drößler

Faust. Eine deutsche Volkssage | Deutschland 1926 | R: Friedrich Wilhelm Murnau | B: Hans Kyser | K: Carl Hoffmann | D: Gösta Ekman, Emil Jannings, Camilla Horn, Frida Richard, Wilhelm Dieterle, Yvette Guilbert, Hanna Ralph | 105 min | OF | 2018 vom Filmmuseum München restaurierte Fassung mit den originalen Zwischentiteln von Gerhart Hauptmann. Sonntag, 31. März 2024, 18.00 Uhr | Musikbegleitung: Richard Siedhoff

Die Nibelungen I: Siegfried | Deutschland 1924 | R: Fritz Lang | B: Thea von Harbou | K: Carl Hoffmann, Günther Rittau | D: Paul Richter, Margarethe Schön, Hanna Ralph, Theodor Loos, Hans Adalbert Schlettow, Bernhard Goetzke, Frida Richard | 149 min | OF – Die Nibelungen II: Kriemhilds Rache | Deutschland 1924 | R: Fritz Lang | B: Thea von Harbou | K: Carl Hoffmann, Günther Rittau | D: Frida Richard, Margarethe Schön, Rudolf Klein-Rogge, Theodor Loos, Erwin Biswanger, Hans Adalbert Schlettow, Bernhard Goetzke | 130 min | OF
Sonntag, 26. Mai 2024, 17.00 Uhr | Musikbegleitung: Richard Siedhoff

Die Filmvorführung von DIE NIBELUNGEN begleitet die Vorlesungsreihe »Die Nibelungen in Bewegung. Sagenverfilmung im gesellschaftlichen Wandel« an der Ludwig-Maximilians-Universität und der Hochschule für Fernsehen und Film. Nähere Informationen ab April unter www.germanistik.uni-muenchen.de/aktuelles.

Zum gesamten Text von Stefan Drößler und zum pdf der Filmreihe mit allen Titeln und Terminen.

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