leere Kinostuhlreihen aus rotem Stoff von hinten

Stummfilmtage

Internationale Stummfilmtage

Anders als im heutigen digitalen Kino, in dem auf Knopfdruck Filme in gleichbleibend optimaler Qualität von elektronisch genormten Projektionsanlagen abgespielt werden, waren Filmaufführungen zur Stummfilmzeit Veranstaltungen, die von vielen Variablen abhingen: dem Zustand der Filmkopie, die mannigfaltige Verschleißerscheinung oder eine falsche Abfolge der einzelnen Aktrollen aufweisen konnte, dem abgekaschten Bildausschnitt und der Lichtstärke des Projektors, die ständig nachgeregelt werden musste, der Bildgeschwindigkeit, die der Vorführer nach eigenem Gutdünken wählte und bei der Vorführung variieren konnte, und der Begleitmusik, die in den meisten Fällen nicht aus ausgearbeiteten Partituren bestand, sondern improvisiert werden musste. Vorführungen desselben Films unterschieden sich voneinander, selbst wenn sie im selben Kino stattfanden – jede Veranstaltung war einzigartig, sowohl im guten wie auch im negativen Sinne. Dabei wurde die Besonderheit des Films, mit dem er die Live-Performances der Theater und Varietés abgelöst hatte, gewissermaßen unterlaufen: einen Ablauf festzuhalten und ihn unbeschränkt reproduzieren zu können, zu jeder Zeit, an jedem Ort und gegebenenfalls an allen Orten gleichzeitig. Die Restaurierung eines Stummfilms steht angesichts dieser Problematik vor nicht lösbaren Fragen: Was ist der Maßstab für die Restaurierung? Orientiere ich mich an der oft mangelhaften zeitgenössischen Vorführpraxis der Kinos, in der die Filme mit überhöhter Geschwindigkeit und mit Unterbrechungen für den Rollenwechsel liefen? Oder versuche ich herauszufinden, wie der Film bei seiner Premiere wohl ausgesehen hat? Zumindest die Meterlängen der Filme bei der Premiere kann man meist anhand von Zensurunterlagen bestimmen, die oft auch die Texte der Zwischentitel festhielten. Aber was ist, wenn Zensureingriffe schon zu Kürzungen vor der Premiere führten? Und muss man jeden Laufstreifen im Bild bei der Restaurierung entfernen? Vielleicht sind kleine Verschmutzungen schon im Kopierwerk oder beim Probelauf des Films vor der Premiere entstanden. Sind sie damit dann legitimiert, von Restaurierungsprozessen verschont zu bleiben?
Spätestens bei der Vorführung der restaurierten Fassung stellt sich die Frage nach der Begleitmusik. Es gibt auch nur ganz wenige Filme, für die eine eigene Begleitmusik komponiert wurde, die in mehr als einem Kino aufgeführt wurde. Normalerweise kompilierte der Internationale Stummfilmtage GENUINE Internationale Stummfilmtage 73 Kapellmeister oder der Pianist des jeweiligen Kinos in kürzester Vorbereitungszeit eine eigene Begleitmusik, die er womöglich von Vorführung zu Vorführung variierte und zu verbessern suchte. Welchem Musiker oder welcher Musikerin vertraut man heute den restaurierten Film an und welche Ansprüche stellt man an die Musik? Darf sie den Film zum Ausgangspunkt nehmen und ein Eigenleben entwickeln oder muss sie sich ganz in den Dienst der Filmhandlung stellen, sich ihr gar unterordnen? Darf sie neue Melodien verarbeiten, die Jahre nach der Filmpremiere des Films entstanden sind?
Wenn wir heute Stummfilme im Kino sehen, dann sehen wir immer nur Interpretationen des ursprünglichen Films. Lichtstärkere Projektoren und andere Leinwände, pausenlose Projektionen ohne Rollenwechsel, von Technikern festgelegte Vorführgeschwindigkeiten und die von Kuratoren und Kuratorinnen ausgewählte bestmögliche Vorführkopie bestimmen das Filmerlebnis ebenso wie die begleitende Musik und die Atmosphäre im Kinosaal. Auch neue Filmrekonstruktionen, die schlecht überliefertes Material entscheidend vervollständigen oder visuell verbessern, tragen dazu bei, dass man vermeintlich schon bekannte Filme neu sehen kann und vielleicht auch neu bewerten muss. Letztendlich wird so jede Aufführung wieder zu einem einzigartigen Ereignis.
Die Auswahl der Stummfilmtage bietet einen Querschnitt durch alle Produktionen, Regionen, Themen, Genres und Stile des Stummfilms. Bekannte Werke in neuen Restaurierungen stehen neben Unbekanntem oder kürzlich Neuentdecktem. Von allen Titeln laufen die bestmöglichen Versionen, in 35mm-Kopien oder hochwertigen digitalen Formaten, oft in deutscher Erstaufführung. Mit dabei sind Richard Siedhoff und Mykyta Sierov aus Weimar, Neil Brand und Stephen Horne aus London, Masako Ohta, Masha Khotimski, Sabrina Zimmermann und Mark Pogolski aus München sowie Günter A. Buchwald und Frank Bockius aus Freiburg, die weltweit zu den besten Filmmusikern und Filmmusikerinnen zählen und im Filmmuseum schon oft zu Gast waren. (Stefan Drößler)

Zum pdf der Filmreihe mit allen Titeln und Terminen.

Zum aktuellen Spielplan


Besuchsinformation

Öffnungszeiten

Die Ausstellungen des Münchner Stadtmuseums sind aufgrund der Generalsanierung aktuell geschlossen. Das Kino des Filmmuseums und das Stadtcafé bleiben weiterhin wie gewohnt bis Juni 2027 in Betrieb.

Informationen zur Von Parish Kostümbibliothek in Nymphenburg

Filmmuseum – Vorstellungen
Dienstag / Mittwoch 18.30 Uhr und 21.00 Uhr
Donnerstag 19.00 Uhr
Freitag / Samstag 18.00 Uhr und 21.00 Uhr
Sonntag 18.00 Uhr

Anfahrt mit öffentlichen Verkehrsmitteln

S/U-Bahn Station Marienplatz
U-Bahn Station Sendlinger Tor
Bus 52/62 Haltestelle St.-Jakobs-Platz

Kontakt

St.-Jakobs-Platz 1
80331 München
Tel. +49-(0)89-233-22370
Fax +49-(0)89-233-25033
E-Mail stadtmuseum(at)muenchen.de
E-Mail filmmuseum(at)muenchen.de

Kinokasse Tel. +49-(0)89-233-24150