Restitution an Edgar Feuchtwanger

Restitution eines Silberlöffels aus der sogenannten Silberzwangsabgabe an die Familie Feuchtwanger in Winchester, England

Am 21. Februar 1939 erließ der nationalsozialistische Staat die sogenannte "Dritte Anordnung aufgrund der Verordnung über die Anmeldung des Vermögens von Juden". Allein in München betraf diese diskriminierende Anordnung zur Abgabe aller Wertgegenstände 2.306 jüdische Familien.

Auch Ludwig Feuchtwanger musste seine Wertgegenstände abliefern, darunter eine silberne Menora aus dem Familienbesitz. Als er von der Anordnung erfuhr, die auch die für die Familie bedeutsame Menora betraf, warf er diese auf den Boden und zertrat sie. Im Gespräch mit Regina Prinz schildert Edgar Feuchtwanger die Reaktion seines Vaters Ludwig auf die behördliche Anordnung. In diesem Augenblick verlor sein Vater die Beherrschung: "My father lost his cool".

Aus den Gegenständen von Ludwig Feuchtwanger erwarb das damalige Historische Stadtmuseum München über das Städtische Leihamt einen silbernen Löffel. Die Provenienzforscherin des Münchner Stadtmuseums Dr. Regina Prinz war zu Gast bei Familie Feuchtwanger in Winchester, England, um den Silberlöffel an seine rechtmäßigen Eigentümer zu restituieren. Die Familie hat sich dazu entschieden, den Silberlöffel dem Münchner Stadtmuseum zu schenken. Ihr Wunsch ist es, die Familiengeschichte und die Begebenheiten rund um den Silberlöffel zu erzählen und der Öffentlichkeit zugänglich zu machen.

Ludwig Feuchtwanger war ein Bruder des berühmten Schriftstellers Lion Feuchtwanger. Dieser musste bereits 1933 ins französische Exil flüchten, als Regimekritiker war er schon vor 1933 heftigen Anfeindungen der Nazis ausgesetzt. Ludwig Feuchtwanger hingegen harrte trotz der immer stärkeren Einschränkungen und Diskriminierungen in Deutschland aus. Er arbeitete als Rechtsanwalt, leitete einen Verlag und engagierte sich in der Jüdischen Gemeinde in München. Im Jahr 1933 verlor er seine Anstellung am Obersten Landgericht, 1935 erfolgte der Ausschluss aus der Reichskulturkammer, sodass ihm zuletzt nur seine Anstellung in der Israelitischen Kultusgemeinde blieb.

Sein Sohn Edgar Feuchtwanger (Jahrgang 1924) wuchs in München in der Nähe des Prinzregentenplatzes auf. Als die Nationalsozialisten 1933 die Macht übernahmen, war er neun Jahre alt. Im Gespräch mit Regina Prinz zeigt er Bilder aus seiner Kindheit und alte Schulhefte. Die damalige Grundschullehrerin ließ die Kinder im Unterricht Hakenkreuze malen und Geburtstagsglückwünsche an den Diktator Adolf Hitler in ihre Hefte schreiben. Der fleißige und gute Schüler war gezwungen, diese ideologische Indoktrination mitzumachen. Zugleich schildert er, wie seine Freund*innen nach und nach begannen, ihn wegen seines jüdischen Glaubens zu meiden.

Bei der Reichspogromnacht im November 1938 wurde sein Vater Ludwig Feuchtwanger gemeinsam mit vielen anderen jüdischen Männern ins KZ Dachau verschleppt. Im Dezember kam er frei und die Familie bereitete sofort ihre Emigration vor. Edgar Feuchtwanger reiste als Erster mit nur 14 Jahren im Februar 1939 allein nach England. Er kam zunächst bei einer Gastfamilie unter. Zwei Monate später folgten die Eltern Ludwig und Erna Rosine, geborene Rheinstrom, nach England. Die Familie ließ sich in Winchester, Südengland nieder.

Nur 18 Monate nach seiner Inhaftierung in Dachau wurde Ludwig Feuchtwanger nun in England inhaftiert, diesmal aufgrund seiner deutschen Staatsangehörigkeit. Nach seiner Freilassung arbeitete er als Übersetzer und Berater der englischen Armee. 1947 – mit nur 61 Jahren – verstarb er.

Edgar Feuchtwanger leistete von 1943 bis 1944 Kriegsdienst und studierte anschließend an der University of Cambridge, wo er 1947 promoviert wurde. Später unterrichtete er Geschichte an der University of Southhampton. 1981/82 kam er im Rahmen einer Gastprofessur zurück nach Deutschland und lehrte an der Johann Wolfgang Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Er lebt nach wie vor in Winchester, wo er 1962 seine Frau Primrose heiratete und mit ihr drei Kinder großzog.

Über seine Kindheit im nationalsozialistischen München verfasste er das Buch "Als Hitler unser Nachbar war. Erinnerungen an meine Kindheit im Nationalsozialismus", das 2014 auf Deutsch im Siedler-Verlag erschien.

Edgar Feuchtwanger über die Reaktion seines Vaters auf die Zwangsmaßnahme

 

Transkript des Audiobeitrags

Edgar Feuchtwanger:
"Man musste das Silber abgeben. Und da war eine, ich glaube es war eine Menora, die aus der Feuchtwanger Familie stammte und die musste man also abgeben.
In dem Moment war der Moment, wie man auf Englisch sagt: 'My father lost his cool'. Er hat es zusammengestampft!"

Regina Prinz:
"Ich war im Staatsarchiv München. Da gibt es Unterlagen von dem Wiedergutmachungsverfahren, was Ihre Mutter angestrengt hat, für die Silberobjekte. Und das habe ich Ihnen kopiert. Das ist vielleicht ganz interessant zu sehen. Was vor allen Dingen für uns eine sehr, sehr wichtige Quelle ist, die sich immer in diesen Akten befindet, ist dieses hier: Das sind die sogenannten AV-Karten, also das Ankaufsverzeichnis.
Diese Karte wurde immer im Leihamt ausgefüllt von den Mitarbeitern dort. Dort wurde genau vermerkt, welche Objekte abgegeben wurden. Mit deutscher Gründlichkeit und …"

Edgar Feuchtwanger:
"Das Ganze ist ja eine Mischung aus deutscher Gründlichkeit und Pedanterie und alles genau nach dem Gesetz gemacht und unter größtem Verbrechertum."

Edgar Feuchtwanger reiste zwei Monate vor seinen Eltern nach England, wo er in einer Pflegefamilie unterkam. Er lebte dort bei der Familie von Malcolm and Beryl Dyson, die ihn aufnahmen und Englisch beibrachten. Der Brief zeugt von ihren Bemühungen Edgar Feuchtwanger eine gute Unterkunft zu bieten und ihm darüber hinaus auch emotional eine Stütze zu sein.

Transkript des Briefs

16.02.1939

My dear Mr & Mrs Feuchtwanger

Edgar arrived at Truro safely yesterday evening. He did not appear to be distressed after his long journey He made a fairly good meal and we got him to bed early.
My wife and I would like you to know that we shall be very happy indeed with Edgar. I hope that he will not be too lonely. I’m afraid that he is bound to be at first as this is rather a small place and there are no suitable children of his age here.
If at any time in his letters to you Edgar appears at all unhappy from causes that could be remedied by us I hope you will immediately let us know. Mr. Whiley & Mrs Scharf both met him at Liverpool Street and he was able to see a little of London before he left for Cornwall.
We are both so sorry to hear that Mrs. Feuchtwanger has influenza and hope that she will soon be better. I do assure you we shall do our best to look well after your son and as far as it is possible make him feel that this is a second home.

I am yours very sincerely
Malcolm Dyson

Übersetzung

16.02.1939

Sehr geehrte Herr und Frau Feuchtwanger,

Edgar ist gestern Abend wohlbehalten in Truro angekommen. Trotz seiner langen Reise wirkte er nicht erschöpft. Er hat recht ordentlich gegessen, und wir haben ihn früh zu Bett gebracht.
Meine Frau und ich möchten Ihnen versichern, dass wir sehr glücklich sind, Edgar bei uns zu haben. Hoffentlich wird er sich nicht allzu einsam fühlen. Allerdings befürchte ich, dass gerade dies am Anfang der Fall sein wird, denn in der Kleinstadt, in der wir leben, gibt es keine passenden Kinder in seinem Alter.
Sollten Sie aus Edgars Briefen jemals den Eindruck gewinnen, dass er sich irgendwie unglücklich fühlt und es in unserer Macht steht, dies zu beheben, lassen Sie uns das bitte gleich wissen. Mr. Whiley und Mrs. Scharf haben Edgar an der Liverpool Street abgeholt, und vor seiner Abreise nach Cornwall konnte er noch ein klein wenig von London sehen.
Wir bedauern sehr, dass Frau Feuchtwanger an Grippe erkrankt ist und hoffen, dass es ihr bald wieder besser geht. Ich verspreche Ihnen, dass wir unser Bestes geben werden, damit Ihr Sohn es hier gut hat, und wir möchten ihm, soweit irgend möglich, das Gefühl vermitteln, dass dies hier sein zweites Zuhause ist.

Mit freundlichen Grüßen
Malcolm Dyson


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