Die Geschichte der griechischen Juden wurde erst spät erforscht. Rika Benvenistes Erzählung fokussiert auf Einzelschicksale und bewegt sich auf lokaler Ebene, statt ein landes- oder gar europaweites Panorama zu erfassen und allgemeingültige Ergebnisse zu präsentieren. Die tiefgründige Erforschung der lokalen Geschichte zerstörter Gemeinden stellt Verallgemeinerungen und Abstraktionen infrage. Ferner legt sie einen Fokus auf die Nachkriegszeit in der die Überlebenden nach Thessaloniki zurückkehrten und mit den Umständen des in Griechenland noch bis 1949 anhaltenden Bürgerkriegs zu kämpfen hatten. Die historische Darstellung beschäftigt sich mit "traditionellen" Themen, wie dem Widerstand und der Rolle der Judenräte, darüber hinaus jedoch auch mit den Optionen der Überlebenden in den ersten Jahren nach der Befreiung der Konzentrationslager, ein Aspekt, der weitestgehend unerforscht ist.
Yara Haskiels Großvater Samuel ist in Thessaloniki aufgewachsen und hatte als einziger in seiner Familie die Shoa überlebt. Er wurde in Dachau von der US-Army befreit und blieb in München, wo er bis in die 1970er Jahre legendäre Musik-Bars und ein Restaurant betrieb. In der Präsentation "we can never fly first class" montiert Yara Haskiel affektive generationsübergreifende Resonanzen aus den Überlieferungen ihres griechisch-sephardischen Heritage. Deren verflochtene Zeitlichkeit und Erinnerungslücken artikulieren sich im Spannungsfeld zwischen Hinterlassenschaften von Verfolgung, Staatenlosigkeit und Klassengefügen.
mit:
Rika Benveniste, Autorin des Buches "Die Überlebenden. Widerstand, Deportation, Rückkehr. Juden aus Thessaloniki in den 1940er Jahren" und Professorin für Europäische Geschichte im Mittelalter an der Universität von Thessalien.
Yara Haskiel, Visual Artist und Doktorandin an der Goldsmiths University of London
Moderation: Maria Alexopoulou, Vertretungsprofessorin für Zeitgeschichte Uni Mannheim und Projektleiterin am Zentrum für Antisemitismusforschung an der TU Berlin
Die Veranstaltung findet in englischer Sprache statt und wird simultan ins Deutsche übersetzt.
Eintritt kostenfrei / im Saal des Münchner Stadtmuseums
Die Veranstaltung kann via Livestream kostenfrei auf YouTube verfolgt werden.