Sherlock jr.
Čelovek s kinoapparatom (Der Mann mit der Kamera)

Stummfilmtage
Live-Musik: Richard Siedhoff & Mykyta Sierov

 

SHERLOCK JR. | USA 1924 | Regie Buster Keaton | Drehbuch Clyde Bruckman, Jean C. Havez, Joseph A. Mitchell | Kamera Byron Houck, Elgin Lessley | Besetzung Buster Keaton, Kathryn McGuire, Ward Crane, Joseph Keaton, Horace Morgan, Jane Connelly | Produktion Buster Keaton Productions, Inc. | Premiere 21.4.1924 | Länge 45 Minuten | Farbe schwarzweiß | Zwischentitel englisch | Buster arbeitet als Filmvorführer, hat aber Ambitionen, Detektiv zu werden. Bei der Vorführung eines Kriminalfilms ist er so gepackt, dass er zur Leinwand rennt und in die Handlung hineinspringt.

Gegen Ende des Films erwacht Buster Keaton im Vorführungsraum aus seinen Träumen. HEARTS AND PEARLS ist beim letzten Akt angelangt, die Katharsis hat stattgefunden, und Held und Heldin halten sich umschlungen. Da erscheint Busters Freundin, und er, der bisher zu jeglicher Annäherung zu schüchtern war, geht nach dem Beispiel der Filmleute zum Angriff vor. Tiefe Wahrheit: gerade bei den heftigsten Gemütswallungen braucht der Mensch von heute das Beispiel des Kintoppstils. Wenn ihm jemand stirbt oder geboren wird, wenn er liebt, hasst, kondoliert oder beglückwünscht – gerade dann ist er am wenigsten er selbst, gerade dann versagen ihm Zunge und Feder, und die verwässerten Metaphern der Familien-Nachrichten und des Briefstellers müssen für ihn schwindeln, weil er die Wahrheit nicht zu sagen weiß. Buster Keaton imitiert den Filmliebhaber stückweise: er küsst die Hand, verübt einen langen Blick, steckt den Ring an, aber als auf der Leinwand prosaisch und unvermittelt zwei dralle Babys von der Zukunft reden, da stoppt er ab und kratzt sich den Kopf. Das kommt davon, wenn der Kintopp die Forderungen der idealen Sphäre vernachlässigt! (Rudolf 
Arnheim, Das Stachelschwein Nr. 20, Oktober 1925)

SHERLOCK JR. ist, allein von seinem technischen Einfallsreichtum her gesehen, eine Offenbarung. Es ist zweifellos Keatons raffiniertester Film. Doch die Gags, so brillant sie auch erdacht und ausgeführt sind, verblüffen das Publikum eher, als dass sie es amüsieren. Sie werden weniger mit Gelächter als mit atemlosem Erstaunen aufgenommen. (Kevin Brownlow, Pioniere des Stummfilms, Basel 1997)

In einem der Keaton-Filme, die jetzt laufen, springt er als Kinovorführer (im Traum) plötzlich selbst in den Film hinein und macht eine Verbrecherjagd, so toll und originell, als sei dieses seit den Uranfängen des Films unzählige Male abgenutzte Motiv noch niemals verwendet worden. Wie er rapid, auf der Lenkstange eines Motorrads hockend, während der Fahrer längst heruntergefallen ist, durch alle Schrecknisse der Welt unversehrt jagt, ist ein unheimliches, höchst ergötzliches Kunststück. (Kurt Pinthus, Das Tage-Buch, Heft 22, 30.5.1925)


ČELOVEK S KINOAPPARATOM (Der Mann mit der Kamera) | UdSSR 1929 | Regie Dziga Vertov | Drehbuch Dziga Vertov | Kamera Michail Kaufman | Produktion Wufku, Kiew | Premiere 8.1.1929 | Länge 65 Minuten | Farbe schwarzweiß | Zwischentitel keine | Ein Klassiker des Sowjetischen Dokumentarfilms, bei dem selten erwähnt wird, dass er fast vollständig in den ukrainischen Städten Kiew, Charkiw und Odessa gedreht wurde, so dass er heute in einem neuen Licht erscheint. 
Nichts Geringeres will DER MANN MIT DER KAMERA darstellen als das Leben. Das Kollektivleben einer Stadt. Zur Stunde der Vordämmerung durchstreift er die Stadt und belauscht den Schlaf der Menschen und das fragmentarische Sein, das sich stumm rührt. Die Stadt erwacht, räkelt sich. Zähne werden geputzt und Läden in die Höhe gezogen. Trambahnen und Fuhrwerke kündigen den Tag an. Es ist eine einzige mächtige Bewegung, die das bisher Zerstückelte ergreift und alle Elemente – Pleuelstangen, Straßenvolk, die Wehen einer Gebärenden – so zusammenführt, dass sie in der Rhythmik des Ganzen eingetan sind. Nach Arbeitsschluss hört der Strom nicht auf, sondern verändert seine Richtung. Die Werktätigen baden und probieren sämtliche Sportarten durch. Dann folgt der Abend mit seinen Schießbuden, chinesischen Zauberkünstlern, Bierstuben und Kinos. Ein Tag ist zu Ende. Morgen geht es so weiter; jahraus, jahrein. Das ist das Leben, das der »Mann mit der Kamera« aufnimmt. Aber er nimmt sich auch selber auf, denn ohne ihn, das Subjekt, wäre das Leben für uns nicht Objekt, und Objekt und Subjekt gehören zusammen. Man sieht ihn in den verzweifeltsten Situationen: wie er sich mit seinem Kurbelkasten eingräbt, um einen Eisenbahnzug von unten zu fotografieren; wie er auf unbegreifliche Weise außen an einer Trambahn hängt. Und auch das Kino erscheint, in dem das erjagte Leben vor den Zuschauern als Bildstreifen wiederkehrt. (Siegfried Kracauer, Frankfurter Zeitung, 19.5.1929)

Vertov war besessen von der Kamera: so zeigte er beispielsweise zwei parallel fahrende Autos, im einen Auto der Kameramann, in dem anderen eine Frau; zuerst ist der Kameramann zu sehen, wie er die Frau fotografiert, danach das Bild aus der Sicht seiner Kamera, danach der Kameramann aus der Sicht der Frau, und zum Schluss das Filmnegativ, die Filmentwicklung und der Schnitt im Labor. Alles dies, um dem Publikum das Medium des Films bewusst zu machen: hier – sieh dich selbst – du sitzt im Kino und siehst einen Film – dies ist keine Institution, in der dir Träume vorgegaukelt werden – zur aktiven Stellungnahme wirst du aufgefordert. (Peter Weiss, Avantgarde Film, Frankfurt am Main 1995)

 

6 € (5 € bei MFZ-Mitgliedschaft). Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den freien Verkauf an der Abendkasse.


Besuchsinformation

Öffnungszeiten

Die Ausstellungen des Münchner Stadtmuseums sind aufgrund der Generalsanierung aktuell geschlossen. Das Kino des Filmmuseums und das Stadtcafé bleiben weiterhin wie gewohnt bis Juni 2027 in Betrieb.

Informationen zur Von Parish Kostümbibliothek in Nymphenburg

Filmmuseum – Vorstellungen
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Donnerstag 19.00 Uhr
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Sonntag 18.00 Uhr

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