Münchener Filmbilderbogen
Erotikon

Stummfilmtage
Live-Musik: Günter A. Buchwald

MÜNCHENER FILMBILDERBOGEN | Deutschland 1922 | Regie Louis Seel | Drehbuch Louis Seel | Darstellerin Olivette Thomas | Produktion Louis Seel & Co. | Länge 6 Minuten | Farbe Viragiert | Zwischentitel keine
Ein Film aus der Serie des Münchner Trickfilmproduzenten Louis Seel, der mit erotischen Anspielungen und Anzüglichkeiten aus der Damen- und Modewelt eine erfolgreiche Serie von Kurzfilmen in die deutschen Kinos brachte. Dabei taucht er als Zeichner selber auf, der sich, mit einer Zeichenfeder bewaffnet, Duelle mit seiner Hauptfigur Pierrette liefert. Es werden verschiedene Tricktechniken eingesetzt und miteinander kombiniert: So ist Pierrette in der Lage, das Zeichenblatt zu verlassen und durch die Wohnung ihres Zeichners zu laufen.
Louis Seel, 1890 in Amerika geboren, war ab 1915 Zeichner bei Bud Fisher, der die berühmte Animationsserie MUTT AND JEFF produzierte. Anfang der 20er Jahre kam er nach Deutschland und wurde zu einer wichtigen Persönlichkeit des Animationsfilms. Zunächst arbeitete er für die Münchener Moeve-Film und gründete dann 1921/22 mit Oskar Fischinger seine Firma Louis Seel & Co. Doch Fischinger stieg bereits 1926/27 wieder aus. Es entstanden sarkastisch gefärbte, humorvolle Cartoons: Die MÜNCHENER BILDERBOGEN.
Die Figuren und Charaktere sind sehr fein und detailliert gezeichnet und geben den typischen und signifikanten Stil der 20er Jahre wieder. Beispielsweise wurde die Mode der Zeit in Frisur und Kleidung genau dargestellt. Die Hauptfigur stellt eine Art weiblichen Harlekin dar – eine Pierrette. Die Bilderbogen waren mit ihrem leicht frivolen und sexuellen Inhalt eindeutig für Erwachsene bestimmt. In einem Film bspw. wird die Hauptfigur sich ihrer Blöße bewusst. Die reale Zeichnerhand versucht daraufhin, ihre Nacktheit zu verdecken, was relativ schwierig ist, da die Figur hin- und herspringt.
Seel gelang die Interaktion von realer und gezeichneter Welt geradezu meisterhaft. Dies bestätigt eine Kritik im »Filmboten«: »Er lässt nämlich seine Zeichnungen aus dem Zeichenblatt heraustreten und sich frei bewegen – sie gehen somit aus der Fläche in den Raum über und spielen mit den lebenden Menschen zusammen. Wie er diese Tricks durchführt, ist natürlich ein Geheimnis. Diese Neuigkeit ist so bedeutungsvoll, dass sie alles bisher Geschaffene dieser Art tief in den Schatten stellt und höchste Bewunderung auslöst.« (Annika Schoemann, Der deutsche Animationsfilm. Von den Anfängen bis zur Gegenwart 1909-2001, 2003) |

EROTIKON | Tschechoslowakei 1929 | Regie Gustav Machatý | Drehbuch Gustav Machatý | Kamera Václav Vích | Ausstattung Julius von Borsody, J. Machoň, Alexander Hackenschmied | Besetzung Ita Rina, Theodor Pištěk, Olaf Fjord, Luigi Serventi, Charlotte Susa, Karel Schleichert, Willy Rösner | Produktion Gem-Film | Premiere 27.2.1929 | Länge 89 Minuten | Farbe viragiert | Zwischentitel tschechisch mit deutschen Untertiteln
Die melodramatische Geschichte eines jungen Mädchens, das von seinem Verführer im Stich gelassen wird, um später, als inzwischen verheiratete Frau, erneut von ihm umworben zu werden. Ein Meisterwerk des Stummfilms: Mit einem Minimum an Zwischentiteln fand Machatý zu einer subtilen Filmsprache, welche die Atmosphäre der Erotik, Verführung und Begierde durch eine Folge von symbolkräftigen Bildern und Überblendungen erzeugt. Machatý erklärte, ein Filmregisseur brauche keinen Drehbuchautor. Der von der Zensur verstümmelte Film wurde vom NFA Prag rekonstruiert und macht die erotische Subversion der Originalfassung wieder erfahrbar. In der restaurierten Fassung, die gegenüber der seinerzeit zensierten Version 22 wiedereingefügte Minuten besitzt, lassen sich die Zensurmaßnahmen leicht erkennen: Während man bei dem zensierten Film auf ein Originalnegativ zurückgreifen konnte, stand für die Zensurschnitte nur Dup-Negativ-Material zur Verfügung, sodass diese Szenen härtere Kontraste aufweisen. Die neue Lichtbestimmung vermittelt einen harmonischeren Bildeindruck. 
Fundstücke können manchmal, wenn sie zur Rekonstruktion unvollständiger Kopien verwendet werden, einen Film völlig neu erscheinen lassen. Das berühmte Prager Filmarchiv feierte sein 50jähriges Bestehen mit Gustav Machatýs EROTIKON, einem von der Zensur gezähmten Film, der erst in der Vervollständigung seinem Titel wirklich Ehre macht. Eine Hommage an den Augenblick, an die Liebe im Vorübergehen und doch an die Sehnsucht. (Daniel Kothenschulte; Film-Dienst 24/1993)

Dass EROTIKON heute einen Skandal auslösen könnte, scheint unvorstellbar. Doch genau das trat bei seinem Erscheinen 1929 ein, er löste eine Revolution aus, die bis heute als die Grundlage der Verbindung zwischen Kino und Erotik gilt. EROTIKON bringt ganz ohne Widerspruch den Stil der Avant-Garde mit traditionellen Erzählformen zusammen und vereint dadurch verschiedenste künstlerische Strömungen der späten 1920er Jahre, von der klassischen Moderne über Art Deco bis zum Surrealismus. Seine Wertschätzung durch das Publikum gründet darauf, dass EROTIKON vor Tabuthemen nicht zurückscheut. Positive Filmkritiken dagegen hoben meist auf Václav Vichs fabelhafte Bildgestaltung ab: Regentropfen an der Fensterscheibe, die sich zu einem einzigen Strom vereinen, gingen in das allgemeine Bildvokabular der Filmgeschichte ein. (Le Giornate del Cinema Muto 40, 2021)

 

6 € (5 € bei MFZ-Mitgliedschaft). Die Kasse öffnet jeweils 60 Minuten vor und schließt 30 Minuten nach Beginn der Vorstellung. Bei allen öffentlichen Veranstaltungen verbleibt ein Kartenkontingent für den freien Verkauf an der Abendkasse.


Besuchsinformation

Öffnungszeiten

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Informationen zur Von Parish Kostümbibliothek in Nymphenburg

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