Kurt Eisner hat sich geirrt.

Der Sozialdemokrat Eisner vertraut offiziösen Informationen aus gut unterrichteten Kreisen seiner Münchner SPD-Genossen, die bereits 1912 kolportieren, der Angriff des zaristischen Russland stehe bevor.

So ändert der Internationalist Eisner seine Überzeugung. Bis zur Balkankrise hat er unermüdlich die Expansionsgelüste und Kriegstreiberei des Deutschen Reichs angeprangert, jetzt, Ende Juli 1914, warnt er eindringlich: „Der Zarismus muss gebändigt werden durch die Einmütigkeit der Kulturvölker Europas, dann ist der Frieden für immer gesichert.“

Kurt Eisner sieht sich an der Seite der internationalen Arbeiterbewegung. Wie viele Führer der Sozialistischen Internationale vor 1914 befürwortet er den nationalen Verteidigungskrieg zum Schutz des territorialen und völkerrechtlichen Status quo. Nach dieser Auffassung ist eine  Regierung Urheber eines Krieges, die sich einer schiedsgerichtlichen Lösung verweigert. Doch die einsetzende Kriegspropaganda und der vehement aufkommende Hurra-Patriotismus, der auch in der eigenen Partei um sich greift, bestürzen ihn.

Kurt Eisner wird misstrauisch, studiert Akten. Im August 1914 erfährt er von dem der deutschen Öffentlichkeit unterschlagenen Telegramm an die Reichsregierung, in dem Zar Nikolaus II. eine Behandlung des österreichisch-serbischen Konflikts vor der Haager Friedenskonferenz angeregt hat.

Der Journalist Eisner erkennt, dass die Kriegsschuld bei Deutschland liegt. Er folgt seinem Gewissen und beginnt einen zähen Aufklärungskampf gegen die reichsdeutsche Politik. Er wird zum wichtigsten Mann der Parteiopposition in München und zur Integrationsfigur der Antikriegsbewegung.

Die unabdingbare Voraussetzung zur Einleitung von Friedensverhandlungen besteht für den Kritiker der deutschen Eroberungsabsichten im Sturz der Monarchie.

Für den Frieden zu kämpfen, bedeutet für den Sozialisten Eisner, für die Revolution zu kämpfen. Die Zeit arbeitet für den Revolutionär Kurt Eisner.
 

Für Kurt Eisner dürfen und können die Kriegsziele der deutschen Reichsregierung nicht die der Sozialdemokratischen Partei sein.

Doch die Parteiführung, die Mehrheit der Reichstagsabgeordneten in Berlin und der Landtagsabgeordneten in München sehen das anders. Ebenso die Gewerkschaftsführung.

Kurt Eisners gutes Verhältnis zur bayerischen und Münchner Sozialdemokratie zerbricht mit seinem Umschwenken zu einem überzeugt kriegskritischen Kurs.

Er will den Berliner Radikalen zunächst nicht folgen: weder dem revolutionären, sozialistischen Flügel um Karl Liebknecht und Rosa Luxemburg, noch den gemäßigten Kriegsgegnern der Haase-Ledebour Gruppe in der SPD.

Kurt Eisner schreibt einen Brief.

Kurt Eisner wirbt an der Seite der Kriegsopposition innerhalb der sozialdemokratischen Reichstagsfraktion für eine Sozialdemokratie als Friedenspartei. Er unterstützt die Forderung nach einer Rückbesinnung auf die Ziele der internationalistischen Arbeiterbewegung.

Wir haben es in unserer Organisation allmählich dahin gebracht, daß wir auch insofern die Karikatur des Preußischen Staates geworden sind, daß die Untertanen zwar auf die Regierung schimpfen, daß wir aber alle Geschäfte der Regierung überlassen. Wenn man heute in Genossenkreisen hört, jene seien alles Lumpen, so sage ich Ihnen, die Schuld liegt nicht an den Bonzen, sondern an den Bebonzten.


(Kurt Eisner am 7. Januar 1917 auf der Konferenz der Sozialdemokratischen Arbeitsgemeinschaft und der Gruppe Internationale)

Kurt Eisner beginnt einen publizistischen Aufklärungskampf gegen die deutsche Kriegspolitik. Aber die Zensur ist stärker. Erst nach der Revolution konnte Kurt Eisner seine ausführlichen Analysen veröffentlichen.

Kurt Eisner tritt in den Bund „Neues Vaterland“ und später in die Deutsche Friedensgesellschaft ein.

Dort trifft er auf Verbündete aus der bürgerlichen Antikriegsbewegung und Frauenfriedensbewegung im Kampf für einen sofortigen Frieden. In der Münchner Friedensvereinigung begegnet er Ludwig Quidde, Lida Gustava Heymann und Anita Augspurg. Im Bund „Neues Vaterland“ trifft er sich mit konsequenten Pazifisten wie Karl Liebknecht aus der SPD und dem Anarchisten Gustav Landauer.

Kurt Eisner stellt sich als Mentor und Integrationsfigur an die Seite junger Sozialisten und Sozialistinnen in München.

Die Münchner SPD-Jugend steht auf gegen den Krieg. Die jungen Arbeiterinnen und Arbeiter, darunter viele verwundete Kriegsheimkehrer, lehnen sich gegen die Bevormundung der sozialdemokratischen Mutter-Partei auf. Sie wollen diesen Krieg nicht, sie haben ihn nie gewollt, sie wollen eine andere, eine gerechte, auf internationaler Solidarität aufbauende, demokratische Gesellschaft. Dafür kämpfen sie.

Kurt Eisner wird zur Leitfigur dieser keimenden Jugend-Bewegung auf dem Weg zur Revolution.

Schriftsteller gegen den Krieg

(Auszug aus dem 1927 erschienenen Roman „Wir sind Gefangene“ von Oskar Maria Graf. Lesung: Heinz-Josef Braun)

Ich dichtete und lief in der Revolution herum

schrieb Oskar Maria Graf im Rückblick auf  seine Education sentimentale zum Pazifisten und Sozialisten ohne Parteibuch.

Mein Buch jedoch, niedergeschrieben mit der ganzen bedenkenlosen, flackernden Subjektivität eines rebellischen Dreißigjährigen, unterschied sich von all diesen Nachfolgewerken wesentlich. Es war keineswegs nur ein protestlerisches Antikriegsbuch. Es hatte sich, ohne dass ich das ahnte und wollte, sozusagen während des Schreibens zu einem umfassenden Dokument der höchst bewegten Zeit von 1905 bis zum Zusammenbruch der deutschen Revolution von 1918 ausgeweitet, und da sich hier einer aus der anonymen Masse nicht als überlegener Ankläger, Warner oder Mahner außerhalb seiner Gesellschaft stellte, sondern mitten in ihr verblieb und offen bekannte: 'Das bin auch ich! Auch ich bin mitschuldig an der Katastrophe!', hatte die damalige Jugend in diesem Buch ihren ungewollten Wortführer gefunden.

(Oskar Maria Graf, New York, USA, im Frühjahr 1965.)


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